Unmittelbar neben dem Augustinerinnenstift in Lippstadt wurde ein bis dahin unbekanntes Bestattungsareal freigelegt. Die 48 Gräber sind nur ein Ausschnitt eines größeren Friedhofes, auf dem während des Siebenjährigen Krieges (1756 – 1763) französische Besatzer begraben wurden. Nach schriftlicher Überlieferung sollen wenigstens 2000 Mann in Lazaretten verstorben sein. Eines der Lazarette befand sich im benachbarten Augustinerstift.
Die Festungsstadt diente der französischen Armee ab Ende April 1757 fast ein Jahr lang als Stützpunkt in Westfalen. Bei Antritt seines Oberbefehls meldete General Clermont den Zustand der französischen Soldaten in Lippstadt an den König. „Er habe die Armee Sr. Majestät in drei sehr verschiedenen Haufen abgetheilt gefunden. Der eine sei über der Erde, aus Dieben und Marodeurs zusammengesetzt und in Lumpen gehüllt; der zweite befinde sich unter der Erde und der dritte in den Hospitälern. Er wünsche deshalb Verhaltungsbefehle, ob er den ersten zurückführen oder warten solle, bis er mit den beiden anderen Haufen vereinigt sei“ (Chalybaeus). Als die Franzosen am 27. März 1758 Lippstadt verließen, wurden noch 400 Kranke in der Stadt zurückgelassen.
Die Särge waren mitunter doppelt und dreifach belegt: insgesamt 57 Männer im wehrfähigen Alter zwischen 15 und 45 Jahren waren in den 48 Gräbern beerdigt. Mit einer Ausnahme fehlen Hinweise auf Verletzungen, weshalb Infektionskrankheiten als Todesursache zu vermuten sind. Die Mehrfachbestattungen legen eine gewisse Eile bei der Beisetzung nahe.
15 Individuen zeigten Abrasionsspuren in den Zahnkronen von Ober- und/oder Unterkiefer, und zwar in der Regel zwischen dem 2. Schneide- und dem Eckzahn. Die spezifischen Abrasionsmuster könnten beispielsweise durch das wiederholte Aufbeißen von Papierpatronen und vor allem durch den regelmäßigen Tabakkonsum mit einer Tonpfeife entstanden sein. Die Toten wiesen erwartungsgemäße Belastungen durch Zahnstein, Karies und Parodontopathien auf. Unterschiede in den Zahnschmelzdicken der Zähne markieren Wachstumsstopps, ausgelöst durch unspezifischen physiologischen Stress wie lokale/systemische Infektionen oder Nahrungsmangel in der Kindheit. Ein Individuum zeigte drei verwachsene Brustwirbel. Hier führte vermutlich eine Fehl- oder Überbelastung zur Verschmelzung der Wirbel.
Die für kriegerische Auseinandersetzungen typischen Verletzungen fehlten jedoch bis auf eine Ausnahme: der Schädel eines Toten wies eine Hiebverletzung im Bereich der Kalotte auf. Die vitale Reaktion des Knochensaumes belegt, dass die Verletzung mindestens einige Wochen überlebt wurde. Postmortal wurde der Schädel sorgfältig eröffnet, möglicherweise um die anatomischen Kenntnisse eines Arztes zu erweitern.
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